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150 Jahre, in denen immer wieder neue, noch verrücktere, noch kühnere Bergbesteigungen von sich reden machten. Eine lange Zeit voller Heldengeschichten, ruhmreicher Gipfelsiege und so manchem gescheiterten Vorhaben. Nicht selten forderten die bleichen Riesen erbarmungslosen Tribut. Es ist die Geschichte von großen Abenteurern, Klettermeistern, von menschlichem Ehrgeiz und einer großen Leidenschaft: dem Bergsteigen.
Grob lässt sich die Alpingeschichte der Sextner Dolomiten in vier Phasen einteilen: auf die Zeit der legendären Erstbesteigungen von 1869 bis 1890 folgten Jahre, in denen ambitionierte junge Bergsteiger und Kletterer, allen voran Sepp und Veit Innerkofler, neue und immer tückischere Aufstiegsrouten suchten: über Wände und Kanten, durch Kamine und Risse. Doch irgendwann hatte man sich wohl auch hier ausreichend ausgetobt. Was nun folgte, könnte vielleicht als alpine Sturm-und-Drang-Zeit bezeichnet werden. Den bleichen Riesen wurden nun auch die senkrechtesten Steilwände abgetrotzt. Zum Teil sogar ohne Hilfsmittel, wie Seil und Mauerhaken. Klettertechnische Meisterstücke, die den Bergsteigern Ruhm und Heldenstatus einbrachten: so wurde Sepp Innerkofler durch die Bezwingung der Kleinen Zinne Nordwand auf einen Schlag zur lebenden Legende und zum wohl gefragtesten Bergführer. Auch der „Preuss-Riss“, eine der schönsten Klettertouren zum Gipfel der Kleine Zinne, erinnert noch heute an diese spannende Erschließungsphase.
Mit den 1930-ern kam schließlich die Zeit des 6. Grades, der höchsten Schwierigkeitsstufe im Alpinismus. Und die Sternstunde der Sextner Kletter-Brüder Toni und Franz Schranzhofer. Mit ihren spektakulären Aufstiegen über die Zwölfer-Nordkante und die mauergleiche, griffarme Nordwand der Westlichen Zinne machten sie sich bald einen Namen in der Szene. Kurz darauf wurde auch die Große-Zinne-Nordwand von einer italienischen Zweier-Seilschaft geknackt. Und es schien fast so, als hätte man allen Herausforderungen der Sextner Dolomiten trotzig die Stirn geboten. Fast. Der Wettkampf Mensch gegen Berg war noch nicht endgültig entschieden. Die gewaltigen Dächer der beiden größeren Zinnen waren noch immer nicht bezwungen, galten als unüberwindbar. Zumindest so lange, bis in den 1950-ern eine neue, extreme Bergsteigergeneration den Fels-Überhängen mit Bohrhaken zu Leibe rückte. Bald wurde die Große Zinne Nordwand in der Falllinie durchklettert und so die beiden Routen „Direttissima“ und „Superdirettissima“ gelegt – eine alpinistische Extremleistung! 1968 wurde schließlich auch das letzte Bollwerk der Sextner Dolomiten, der 40 Meter waagrecht vorstehende Überhang der Westlichen Zinne, mit extremem technischen Aufwand endlich durchstiegen.